Microsoft (365) ist ein Standard, den alle einsetzen – Gezwungenermaßen
Solche Meinungen halten sich hartnäckig in IT-Infrastrukturen mit mäßig ausgebildeten und/oder unkritischen Mitarbeitern. Denn sie basieren auf weit verbreiteten Mythen und können indes das Ergebnis anhaltender psychologischer Beeinflussung durch Nudging und Dark Patterns sein. Doch selbst wenn ein reflektierter Umgang mit manipulativen Bedienkonzepten erfolgt und der Wunsch besteht Freie Software einzusetzen, fehlen häufig personelle Ressourcen und eine Portion Mut, um einen unabhängigen Weg zu gehen. Meistens sind es auch Bequemlichkeit und Gewohnheit, welche, neben der Angst Fehler zu machen, für einen Rückfall auf Lösungen des immer gleichen, altbekannten Anbieters sorgen.
Doch wie sollen sich auf diese Weise Alternativen entwickeln und gegenüber marktbeherrschenden Tech-Giganten wettbewerbsfähig werden?! Denn Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Folgt man dieser Logik, sind Unternehmen und Einrichtungen, welche Microsoft (365) einsetzen, keine unabhängigen Wegbereiter, sondern gewissermaßen Komplizen bei dessen fortschreitender Monopolisierung. Mit Popularitätsargumenten wie absoluter Verfügbarkeit (“Windows hat doch jede*r”), Begründungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und damit, dass schließlich “Standards” verwendet werden müssen, entziehen sich jedoch viele Akteure ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.
Standards
Zunächst muss beim Standard-Begriff unterschieden werden: Ein sog. De-facto-Standard bezeichnet Methoden oder Regeln, welche sich in der Praxis zwar durchsetzen, jedoch nicht als Folge von Vereinbarungen, Gesetzen, Verordnungen o.ä. entstanden sind. Microsoft Produkte sind durch proprietäre Implementierungen gekennzeichnet und diktieren die Arbeitsweisen sowie Anforderungen einseitig. Konkurrierende Lösungen werden getreu der Embrace, Extend and Extinguish Strategie geschluckt und für Andere unzugänglich gemacht (Stichwort: Closed Source). Somit verbleibt das Wissen unter eigener Kontrolle im Besitz des Konzerns aus Redmond, USA, und stellt keine weitere Bedrohung dar. Der Lock-in-Effekt, welcher Nutzern einen Wechsel zu anderen Anbietern erschwert, hält dabei das Monopol von innen heraus aufrecht.
Offene Standards hingegen ermöglichen durch Interoperabilität, das Zusammenspiel von Hard- und Software verschiedener Hersteller, Kommunikation bzw. Datenaustausch unabhängig vom Anbieter. Alltags-Beispiele sind Netzwerkprotokolle für Internet und E-Mail. Ungeachtet des E-Mail Anbieters kann jede*r an jede*n Nachrichten senden, wie auch empfangen. Durch Vereinbarungen und die öffentliche Dokumentation gemeinsamer Regeln und Methoden (Request For Comments) ist das Wissen über solche Netzwerkdienste frei zugänglich, sodass Implementierungen von allen Teilnehmern uneingeschränkt genutzt und kollaborativ weiterentwickelt werden können. Der daraus resultierende Fortschritt steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Projekte wie GNU/Linux wären ohne eine solche Philosophie bis heute nicht so vielseitig und erfolgreich.
Der Microsoft-Standard an der HS Düsseldorf
Die Hochschule Düsseldorf, als öffentliche Bildungseinrichtung, teilt dem Anschein nach eher die monopolistische Auffassung. Denn der anhaltende und alternativlose Zwangseinsatz von Microsoft 365 wird durch das Präsidium u.a. wie folgt begründet:
In einigen Aspekten, in denen es uns auch aufgrund begrenzter Ressourcen möglich war, haben wir im Bereich des Video-Conferencings weitere Tools im Einsatz: Skype for Business, Adobe Connect, Pexip. Alle benannten Tools unterscheiden sich natürlich in ihren Detailfunktionen. Letztlich wird aber jede*r Lehrende immer nur einen Kanal nutzen, da es anders kaum organisierbar ist. Die Aufgabe der Hochschule kann es nicht sein, jedem Studierenden Kommunikationskanäle nach seinen/ihren Wünschen anzubieten. Als öffentliche Institution, die mit Geldern der Steuerzahler*innen finanziert wird, müssen wir sparsam und wirtschaftlich handeln. Das ist nur möglich, wenn wir uns auf funktionale, für uns mit akzeptablen Personalressourcen pflegbare Standardprodukte verlassen.
Abgesehen davon, dass aus dem berechtigtem Datenschutzbedürfnis in Bezug auf die Wahl der Software eine Geschmacksfrage gemacht wird, ist ersichtlich, dass die Entscheidung v.a. wirtschaftlich begründet war. Denn mit Geldern der Steuerzahler*innen sollen Standardprodukte (von Microsoft) bezahlt werden. Ob Freie Software Alternativen mit offenen Standards erwogen, geschweige denn getestet wurden, ist ebenso zweifelhaft wie eine ordnungsgemäße Ausschreibung. Microsoft 365 war teilweise bereits ausgerollt und Datenschutzbedenken sind oft eher zweitrangig, wenn die vorgefertigte Lösung nur wenige Klicks entfernt ist. Auch an anderer Stelle kann eine damit verbundene psychologische Ursache identifiziert werden:
Die Hochschulentscheidung, Microsoft Teams an der HSD zu verwenden, fußt auf organisationsnotwendigen Überlegungen zur Sicherstellung der Kommunikation aller Organisationsmitglieder über ein einheitliches Tool und dessen entsprechende Bereitstellung. Bereitstellung bedeutet neben der Download-Verfügbarkeit die technische Integration in die vorhandene IT-Landschaft und die damit verbundene Wartung und Pflege des Tools. Damit einhergehend sind Entscheidungen für einen wirtschaftlichen Ressourceneinsatz von Personal, Material und Finanzmitteln zu treffen.
Der Lock-in-Effekt zeigt seine Wirkung und bestimmt die IT-Infrastruktur nachhaltig. Denn andere Lösungen passen offenbar nicht ins bestehende (Microsoft-)Konzept. Unwissenschaftliche Aussagen, dass Microsoft 365 doch auch alle Anderen benutzen, weil es einfach zu bedienen sei, am Besten funktioniere und überall allen zur Verfügung stehe, haben die Entscheidungsträger wahrscheinlich überzeugt Personal, Material und Finanzmittel darin zu investieren, anstatt Alternativen in Betracht zu ziehen. Die Gefahren durch eine Auslieferung der Hochschulangehörigen an einen intransparenten IT-Konzern mit potenzieller Datenverarbeitung in den USA wiegen gegenüber Bequemlichkeit sowie Kostenersparnis geringer und sind auch Zeugnis eines undemokratischen Verständnisses von Standardisierung.
Andere Tools behindern die Lernförderlichkeit
Um den Microsoft-Standard weiter durchzusetzen hat die Campus IT für alternative Lösungen oft nur unzureichenden oder schlichtweg gar keinen Support angeboten, sodass Studierende, Lehrende und Beschäftigte damit allein gelassen wurden und aus Zeitnot und mangelndem Fachwissen zur Nutzung des einheitlichen Tools gezwungen waren. Bei einer Umfrage konnte dadurch logischerweise eine negative Bilanz für den Einsatz anderer Software gezogen und wie folgt argumentiert werden:
Hinzu kommt, dass der Einsatz unterschiedlicher Tools die Kommunikation sowohl innerhalb der HSD-Organisation als auch im Lehrbetrieb tendenziell erschwert. Die Ergebnisse der im Sommersemester durchgeführten Studierendenbefragung „Studieren in Zeiten von Corona“ zeigte, dass die Vielfalt der in der Lehre eingesetzten Tools auch als behindernder Faktor im Sinne der Lernförderlichkeit wahrgenommen wurde.
In der Folge wurde der behindernde Faktor eleminiert, sodass Microsoft 365 neben einer kaum ausgereizten Moodle-Instanz (spärlich angereichert mit Panopto-Inhalten und E-Mail als Kommunikationskrücke), wie das Allheilmittel wirken kann. Bei erneuter Befragung im Sommersemester standen daher auch nur eben diese Lösungen zur Auswahl. Die Streuung in der Statistik bleibt auf diese Weise praktischerweise gering und somit könnte auch in Zukunft belegt werden, dass die Lernförderlichkeit ohne Alternativen weniger oder gar nicht mehr beeinträchtigt ist.
Der Datenschutz von Hochschulangehörigen bleibt dabei weiterhin auf der Strecke und wird durch “Wartungsarbeiten”, wie die Verschiebung von E-Mail Postfächern in die Microsoft 365 Cloud, sowie die Verknüpfung des Moodle-Logins mit dem Microsoft Account, zunehmend weiter eingeschränkt. Wie lange überhaupt noch Konkurrenzprodukte zum Microsoft-Standard geduldet werden ist fraglich. Tendentiell zeichnet sich bereits ab, dass Lehrende und Lernende scheinbar hinnehmen, dass Sie keine Wahl (mehr) haben. Doch immerhin könnte bald etwas mehr Transparenz bzgl. Ausschreibung, Vergabeverfahren, Auftragsverarbeitung, Kosten und Sicherheitskonzept für die Online Lehre mit Microsoft 365 geschaffen werden.
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